Eine fachkundige, anwendungsorientierte Beratung zu fachspezifischen Fragen soll Anwendern in der frühen Planungsphase eine qualifizierte Entscheidungsfindung ermöglichen. Da bei historischen und modernen Objekten Lehm auch in einer Mischbauweise mit anderen Baustoffen wie Stein und Holz auftreten kann, deckt diese Bauberatung gesamtheitlich Architektur mit natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen ab.
Sie als "Endverbraucher/-in" möchten über den technischen Letztstand informiert sein, bevor Sie sich für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Anwendung entscheiden.
Als Forschende und Ausführende des Lehmbau BOKU Teams möchten wir Sie über bestimmte bauliche Qualitäten und Einsatzmöglichkeiten von Lehm objektiv informieren und Licht in den Dschungel häufig gestellter Fragen bringen:
1. Moderner und historischer Lehmbau
Ein Ziel von Lehmbau BOKU ist es, Lehm als Baustoff von Vorurteil behafteten unrichtigen Attributen zu befreien und dessen Bedeutung in unterschiedlicher Anwendung als "massentauglichen" Baustoff in Österreich aufzuzeigen. Dies betrifft einen vielschichtigen Einsatz von Lehm, beispielsweise als Teil von Wandkonstruktionen, als Verputz, als Bodenbelag oder für dekorative Zwecke.
In vergangenen Zeiten gab es in verschiedenen Gegenden dieser Erde Bautraditionen, bei welchen Lehm als "Massenbaustoff" eine zentrale Rolle übernahm. In Österreich finden wir solche Gegenden vorrangig in Ostösterreich. Die Zeiten haben sich spätestens seit der Nachkriegszeit geändert. Bautätigkeiten sind nicht mehr vorrangig an lokale Bautraditionen gebunden, sondern folgen einem individuellen Bewusstsein. Damit veränderte sich auch die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Verwendung von Lehm und dessen Bedeutung als "Massenbaustoff".
Dieser Umstand mindert jedoch nicht bestimmte Materialqualitäten von Lehm als Baustoff, erfordert jedoch einen neuen Zugang, welcher individuelle Bedürfnisse erfüllen kann. Wenn Sie heute ihr Haus planen, folgen Sie häufig nicht mehr traditionellen, sondern "modernen", dem technischen Letztstand entsprechenden Bautechniken. Ein sich kontinuierlich verbessernder Forschungsstand ermöglicht die technische Weiterentwicklung unterschiedlicher Einsatzgebiete von Lehm.
2. RADON UND LEHM
Das Edelgas Radon entsteht generell bei der Verwitterung von Gesteinen. Insbesondere Granite und auch Gneise sind Quellen für die Radonbelastung. In Österreich finden sich solche Gesteine im Waldviertel, Mühlviertel und in Gebieten der Zentralalpen (Salzburg, Kärnten, Tirol). Die Gebiete Wien und Umgebung weisen keine nennenswerte geogene Radonbelastung auf. Unsere österreichischen Rohmaterialien für den Lehmbau stammen nicht aus solchen belasteten geologischen Gebieten, sondern aus ehemaligen Meeresbecken.
Dadurch ist generell die Strahlenbelastung dieser natürlichen Materialien sehr gering. Soweit nachvollziehbar, sind bisher keine Hinweise bezüglich erhöhter Strahlenbelastung von österreichischen Lehmmaterialien bekannt.
Die ÖNORM S5280 regelt diesen Problembereich. Messungen werden von verschiedenen Stellen angeboten. Es ist jedoch darauf zu achten, dass immer seriöse Fachleute diese Messungen durchführen. Auf diesem Gebiet sind auch Scharlatane unterwegs. Die DIN Norm definiert das Prüfverfahren in Bezug auf Radon. Auch wenn der angebotene Lehmputz nicht nach DIN produziert sein sollte, wäre eine solche Prüfung nicht allzu teuer, z.B. bei der Gammamessstelle des ÖKO-Instituts.
3. STAMPFLEHM- (STL-) BODEN
Grundsätzlich ist zwischen einem „historischen“ und einem „modernen“ Stampflehmboden zu unterscheiden. Wesentliche Unterschiede sind die Verwendung von lokalem in nächster Nähe zum Bauplatz versus am Baumarkt verfügbaren Lehm oder eine wartungsintensive versus eine möglichst stabile und staubfreie wartungsarme Oberfläche.
Historische STL-Böden wurden mit lokal verfügbarem Rohmaterial hergestellt. Sollte ein STL-Boden mit heutigen Anforderungen (z.B. wartungsarm, harte Schuhsohlen belastbar, große Menschenmengen etwa in Museen aufnehmend, leichter reinigbar) in historischer Manier hergestellt werden, so ist die Adaptierung historischer Techniken anzudenken und die Beiziehung von Lehmbaufachleuten ist unbedingt angeraten.
In Folge wird eine Möglichkeit zur Herstellung eines modernen STL-Bodens dargestellt, um Unterschiede zu historischen STL-Boden Techniken zu veranschaulichen. Ein Beispiel für eine historische Ausführung aus der mährischen Lössgegend ist in Folge angeführt.
3.1 Moderner STL-Boden
Es gibt unterschiedliche Rezepturen zur Herstellung eines „modernen“ Stampflehmbodens. Von einem Beispiel ist im Museumsdorf Niedersulz an einem kleinen Bodenausschnitt der Aufbau anschaulich dargestellt:
1: Gewachsener Boden
1a: (alternativ) Schotterrollierung, darauf Geovlies als lastverteilende Lage
2: ca. 15cm Lehmschicht, erdfeucht verdichtet, hergestellt in ein bis zwei Lagen, je nach Materialzusammensetzung
3: ca. 5cm Lehmfeinschicht, armiert mit Putzarmierungsgewebe 10 x 10 mm als oberste erdfeucht gestampfte Lage.
4: Zur Staubfreimachung der obersten Nutzschicht kann der Boden auch mit Hartwachs eingelassen werden.
Dieser Aufbau entspricht jedoch nicht einem historischen Stampflehmboden, wie wir diesen etwa aus Ostösterreich oder Mähren kennen.
3.2 Historischer STL-Boden
Historisch wurde händisch mit „Loamprackern“ oder durch Stampfen (fallweise auch durch eine Tanzveranstaltung auf dem „Fletz“) verdichtet, was eine geringere Verdichtung im Vergleich zu moderner mechanischer Verdichtung durch z.B. Rüttelplatten ergab. Fallweise wurde auch mit Kellen nachgeglättet. Diese historische Verdichtung bedingt auch eine weniger plane Oberfläche und gibt dem Boden einen eigenen haptischen und optischen Charakter.
Die Sieblinie des historischen Stampflehmboden-Materials war ebenfalls von den Eigenschaften des rohen Ausgangsmaterials abhängig; einerseits vom Feinkornanteil und dessen Tonmineraleigenschaften, und andererseits vom Grobkornanteil. Davon abhängig ist der Aufwand des Verdichtens, das Erfordernis zu Sieben bzw. zur Sandbeigabe.
In der Lössgegend, beispielsweise, ist ebenfalls ein 2-Schichtaufbau historisch bekannt (Angaben zu einer mährischen Tradition lt. Martin Novotny/Museum Strážnice):
1: Unterste Schicht ist etwa 5 cm stark ist und wurde auf ca. 5mm gesiebt und mit kurzgeschnittenem Stroh vermengt wird.
2: Die obere Lehmschicht ist wesentlich feiner und wurde auf etwa 3mm gesiebt und mit Dreschabfall vermengt.
3: Ein wesentlicher Unterschied zu „modernen“ Stampflehmböden ist die Oberflächenvergütung. Beim historischen Boden wird eine Schlämme aus Kuhmist und Lehm mindestens zweimal je Saison aufgestrichen. Die Frequenz in der Wiederholung wurde uns bis zu ein Mal wöchentlich in bäuerlichen Aufenthaltsräumen beschrieben.
4. VORBEREITUNG DES UNTERGRUNDES FÜR LEHMPUTZE AUF SAUGFÄHIGEM UNTERGRUND
Untergrundarten:
1. Lehm
2. Gebrannter Ziegel
3. Naturstein bzw. Mischmauerwerk
4. Betonoberfläche
Vorbereitungsarten:
1. Lehm (z.B. Lehmziegel)
Nur geringes Vornässen (Gefahr des Aufschlämmens des Untergrundes); kein Vorspritzer.
2. Gebrannter Ziegel
Entfernen von Lockermaterial; den Untergrund gut anfeuchten; bei stark saugfähigem bzw. ungleichmäßig saugendem Untergrund empfiehlt sich als Vorspritzer ein dünnflüssig angerührter Unterputzlehmputz oder ein Universallehmputz (d.h. ein etwas grobkörniger Lehmputz). Ein zementöser Untergrund ist nicht nötig bzw. bauphysikalisch kontraproduktiv.
3. Naturstein bzw. Mischmauerwerk
In der Regel ist ein Kalk-Trass-Vorspritzer ausreichend. Ein zementöser Untergrund ist nicht nötig bzw. auch hier bauphysikalisch kontraproduktiv.
4. Betonoberfläche
Als Haftgrund kann Kalk-Zement verwendet werden.
Wichtig bei der Anwendung eines Vorspritzers, wenn er auf auf Naturstein- Ziegel Mischmauerwerk notwendig ist, ist dass er maximal 50 % deckend verarbeitet werden sollte, um möglichst viel von der kapillaren Leitfähigkeit zwischen Lehmputz und dem Ziegel als Putzgrund und zum Lehmmauermörtel zu erhalten. Ein baustellengemischter Trasskalk-Vorspritzer wäre natürlich optimal. Wichtig ist, dass die Verputzfirma einen DIN Norm konformen Lehmputz und nicht ein (meist undeklariert) stabilisiertes Produkt verwendet. (siehe hierzu auch: https://lehm.com/lehmputz/konstruktionen/lehmputz-auf-mauerwerk/#untergrundvorbereitung)